Geteilte Führung ist eine Haltung
Das gemeinsame Ausüben einer Führungsfunktion, gewinnt auch in der ICT-Branche an Bedeutung und bringt neben mehr Inklusion auch neue Herausforderungen. Nadja Mauchle von Canon hat ihre Erfahrung in diesem Beitrag festgehalten.

Top Sharing, also das gemeinsame Ausüben einer Führungsfunktion, findet zunehmend Eingang in Organisationen jeder Grösse. Auch in der ICT-Branche. Die Vorteile liegen auf der Hand. Co Leadership stärkt Inklusion und Diversität, verbessert die Vereinbarkeit und schärft das Employer Branding. Gleichzeitig verlangt es ein gemeinsames Führungsverständnis, Vertrauen und viel Koordination.
Im Swico Future Work Circle wurde über Voraussetzungen, Chancen und Stolpersteine geteilter Führung diskutiert. Ralph Schmid und Nadja Mauchle von Canon brachten ihre Erfahrungen aus dem eigenen Führungsalltag ein. Auf Basis dieses Austauschs hat Nadja Mauchle den folgenden Beitrag verfasst, aus der Perspektive einer, die Co Leadership lebt.
Co-Leadership aktiv gestalten: Wie geteilte Führung entstehen kann
Die Arbeitswelt verändert sich und mit ihr auch die Anforderungen an Führung. Teams arbeiten vernetzter, Rollen sind weniger klar abgegrenzt und die Entscheidungswege sind oft komplex. Hier können Modelle wie Co-Leadership neue Möglichkeiten eröffnen. Allerdings erfordert es Flexibilität, Innovation und eine grosse Portion Mut von allen Parteien.
Was bedeutet Co-Leadership?
Co-Leadership heisst gemeinsames Führen, die Verantwortung für ein Team oder einen Bereich zu teilen und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Die Idee dabei ist nicht, die Führungsaufgaben zu trennen, sondern gemeinsam an der gleichen Vision und den gleichen Zielen zu arbeiten. Diese moderne Art von Leadership bringt viele Vorzüge für einen selbst, das Team und das Unternehmen mit, kann aber gleichzeitig auch sehr herausfordernd sein.
Geteilte Führung bedingt Vertrauen, gemeinsame Werte als Basis und ein bewusstes Zusammenspiel zwischen zwei Personen. Das Co-Lead Modell stellt die traditionelle Art und Weise der Führung in Frage und stösst daher nicht immer bei allen auf Zuspruch. Es ist kein Modell, das man einfach «einführt», es ist eine Haltung. Führung wird gemeinsam getragen und Entscheidungen werden geteilt. Es geht nicht darum, immer einer Meinung zu sein, sondern darum, sich gegenseitig ernst zu nehmen, einander zuzuhören und gemeinsam die beste Lösung zu finden.
Wie Co-Leadership in 3 Schritten initiiert und aktiv gestaltet werden kann
- Eine:n Sparringpartner:in suchen
Co-Leadership funktioniert nur, wenn die Chemie stimmt. Daher ist es notwendig eine:n Sparringpartner:in zu finden, der/dem man vertraut. Mit der passenden Person sollte man Werte, Haltung und Arbeitsstil teilen können. Das bedeutet nicht, dass man immer gleicher Meinung sein muss, aber ein gemeinsames Verständnis davon, was gute Führung ausmacht, hilft enorm. In ersten Gesprächen lässt sich herausfinden: Wer hört zu? Wer denkt ähnlich? Wer stellt ähnliche Fragen?
Um den richtigen Match zu finden, ist Geduld gefordert, denn erzwingen sollte man bei solch einer wichtigen Entscheidung nichts. Aber man sollte aufmerksam sein und die Chance ergreifen, wenn es «matcht». - Die zukünftige vorgesetzte Person frühzeitig einbinden
Co-Leadership funktioniert nicht im Alleingang. Wenn zwei Menschen gemeinsam führen wollen, bedarf es das Vertrauen – und letztlich auch das Commitment der übergeordneten Führungsperson. Wichtig ist, nicht einen fixfertigen Vorschlag zu präsentieren und auf Zustimmung zu hoffen, sondern offen in den Dialog zu gehen und die Idee zu pitchen.
Eine gute Vorbereitung hilft: Was sind die Vorteile für das Unternehmen? Wie werden die Verantwortlichkeiten geregelt? Was wird sich zum Positiveren verändern, wenn verschiedene Perspektiven, doppelte Erfahrung, mehr Resilienz und ganzheitliche Entscheidungsfindung gegeben sind? Wenn solche Überlegungen geteilt und auch mögliche Bedenken aktiv angesprochen werden, entsteht ein echter Austausch. Und genau da liegt die Chance: Die vorgesetzte Person wird nicht nur Befürworter:in, sondern Teil des Gestaltungsprozesses. - Das Team und das Umfeld frühzeitig einbinden
Es empfiehlt sich, Raum für Fragen, Feedback und auch Skepsis zu lassen, damit sich das Team und das Umfeld ernstgenommen fühlen. Das bewusste Einholen von Feedback in Meetings mit Teammitgliedern oder anderen Stakeholdern wird häufig sehr geschätzt. Mit dem/der Co-Partner:in gemeinsam aufzutreten und sich für die Kommunikation der anderen Person verantwortlich zu fühlen, schafft Vertrauen. Auch kleine Zeichen wirken – etwa, wenn beide Co-Leads in Meetings präsent sind oder sich gegenseitig vertreten, ohne dass sie sich vorher absprechen müssen. Co-Leadership funktioniert dann gut, wenn das Team und das Umfeld einbezogen und dadurch zu Beteiligten werden und Vertrauen aufbauen können.
Persönliche Erkenntnis
Für erfolgreiches Co-Leadership gibt es kein Patentrezept. Es braucht nicht viel Theorie, sondern eine Haltung und den Mut, Dinge anders zu machen. Ich habe Führung schon immer als etwas verstanden, das gelebt werden sollte – nicht einfach als etwas, das mit einem Titel kommt. Als vor vier Jahren die Reorganisation unserer Abteilung diskutiert wurde, hat mich mein damaliger Vorgesetzter früh ins Boot geholt. Wir haben auf Augenhöhe über die zukünftige Struktur gesprochen – und ich konnte aktiv mitgestalten. Dabei haben wir relativ schnell gemerkt, dass wir uns mit unseren Stärken und Fähigkeiten prima ergänzen.
Im Rahmen eines Transformationsprozesses haben wir kurzerhand die ganze Abteilung unter gemeinsamer Führung zusammengelegt und die einzelnen Teams aufgelöst. Das Co-Leadership-Modell ist also durch reine Selbstorganisation entstanden und nicht durch Verordnung. Diese Zeit hat mir gezeigt, wie viel möglich wird, wenn man Eigeninitiative zeigt, Verantwortung teilt und offen für neue Formen der Zusammenarbeit ist. Gerade in Veränderungsphasen kann genau daraus etwas sehr Kraftvolles entstehen. Dank Co-Leadership kann Führung besser, nachhaltiger und menschlicher werden.
Im Rahmen meines MAS in Strategic Design darf ich das Thema Co-Leadership aktuell vertiefen – und ich freue mich über den Austausch mit allen, die Lust haben, gemeinsam weiterzudenken und offen für neue Formen des Führens sind.