Digitale Barrierefreiheit zwischen Verpflichtung und Chance
Rückblick auf das Swico-Event «Digitale Barrierefreiheit in der Praxis»
Die digitale Welt soll allen offenstehen. Mit der Teilrevision des BehiG sollen private Unternehmen ihre digitalen Angebote so gestalten, dass sie allen Menschen zugänglich sind. Dabei wird die Verhältnismässigkeit und Zumutbarkeit für Unternehmen berücksichtigt. Was das bedeutet, diskutierten Fachleute aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft am Swico-Event vom 4. November. Dabei wird deutlich, dass Barrierefreiheit zu gutem Design, gutem Service und gutem Business gehört. Die ICT-Branche ist damit Teil der Lösung und trägt wesentlich zu einer digitalen Welt für alle bei.
Von der Pflicht zur Chance für Unternehmen
Unternehmen, die Barrierefreiheit von Anfang an mitdenken, sparen Folgekosten und stärken ihre Marktposition. Wer digitale Lösungen entwickelt oder betreibt, sollte Kundinnen und Kunden frühzeitig bei barrierefreien Projekten begleiten. Das ist eine Geschäftschance, denn viele digitale Angebote müssen in den nächsten Jahren überprüft und erneuert werden.
Für Nationalrat Islam Alijaj ist Barrierefreiheit ein Prozess, der sich mit Technik und Gesellschaft weiterentwickelt. «Wahrer Wandel passiert in Unternehmen, in den Teams, die Lösungen entwickeln», sagte er. Wer Barrierefreiheit von Anfang an mitdenke, erschliesse neue Zielgruppen und spare sich spätere Nachbesserungen.
Markus Riesch vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung und Co-Präsident der Allianz Digitale Inklusion Schweiz (ADIS) betonte, dass digitale Barrierefreiheit ein Innovationstreiber sei. «Damit schaffen wir Akzeptanz für den digitalen Wandel.» Entscheidend sei eine solide Qualitätssicherung. Riesch sprach von drei Säulen: automatisierte Tests, Expertentests und Usability-Tests mit Betroffenen. Nur das Zusammenspiel aller drei Methoden garantiere wirkliche Nutzbarkeit.
Sybille Peuker von Zeix rückte die kognitive Dimension in den Vordergrund. Barrieren entstünden nicht nur durch Behinderungen, sondern auch durch alltägliche Faktoren wie Stress, Müdigkeit oder Überforderung. «Zu viele Menschen werden ausgeschlossen – im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder als Kundinnen», sagte sie. Der Schlüssel liege im „Designing with statt Designing for“. Wer Nutzerinnen und Nutzer in den Gestaltungsprozess einbeziehe, schaffe verständliche, zugängliche und nutzerfreundliche Produkte.
Helen Flepp und David Rossé von Swisscom zeigten, wie sich Barrierefreiheit in einem Grossunternehmen verankern lässt. Der erste Schritt sei die Sensibilisierung. Fast jedes Swisscom Produkt könne Hindernisse schaffen, wenn es nicht von Anfang an zugänglich gestaltet werde. Das Unternehmen arbeitet mit standardisierten Komponenten, schult Mitarbeitende und testet Produkte gemeinsam mit Betroffenen. «Barrierefreiheit ist der professionelle Umgang mit Behinderungssituationen», erklärte Flepp.
Barrierefreiheit ist ein Massstab für digitale Qualität. Wer Barrierefreiheit von Anfang an mitdenkt, spart Folgekosten und stärkt die eigene Marktposition. Und wer digitale Lösungen entwickelt oder betreibt, kann Kundinnen und Kunden frühzeitig bei barrierefreien Projekten begleiten. Das eröffnet neue Geschäftschancen. Denn viele digitale Angebote müssen in den kommenden Jahren überprüft und erneuert werden.